Was KI-Tools fürs Marketing leisten (und was nicht)

ChatGPT kennen Sie natürlich, vielleicht auch Midjourney und Dall:e. Doch was können Text-Tools wie Jasper und Neuroflash in der Praxis leisten? Bringen Bild- und Video-Anwendungen wie Canva, Runway, Colossyan, Perspective, Sounddraw oder Framer das digitale Marketing voran?

Diesen Fragen wollten wir auf den Grund gehen und haben ein KI-Experiment gestartet: Mehr als 30 Agenturinhaber:innen haben sich 2 Tage lang getroffen. Aufgabe: In drei Gruppen je ein Unternehmen entwickeln – von der Startup-Idee über Value Proposition, Zielgruppendefinition (bis zur umfangreichen Excel-Liste mit möglichen Kunden), Angebotspakete, Website, Imagevideo, Social Ads. Also mit fast allem drum und dran, natürlich inklusive Businessplan. Alle Ergebnisse sollten KI-basiert sein, also nix mit „freier Kreativität“. Organisiert hat das Ganze unsere AIKA-Allianz, konzipiert und moderiert von Prof. Claudia Bünte und ihrem Team.

„Baut eine Full-Service Werbeagentur auf, die echte Mitarbeiter:innen hat, deren Angebote aber mit KI-Tools entstehen.“

Wir haben intensiv gearbeitet, gepromptet, geschwitzt, (viel) gelacht und (ziemlich oft) geflucht. 

Doch erstmal eins nach dem anderen: Der Arbeitsauftrag war, am Workshop-Ende eine neue Agentur zu präsentieren. Genauer gesagt: „Baut eine Full-Service Werbeagentur auf, die echte Mitarbeiter:innen hat, deren Angebote aber mit KI-Tools entstehen."

Dazu musste erstmal eine Geschäftsidee her - also Laptops auf und ran an ChatGPT. Ziemlich schnell haben wir uns in der Gruppe auf eine Zielgruppe geeinigt: Handwerksbetriebe. Die suchen Personal, brauchen angesichts der Krise am Bau neue Kunden und haben meist keine riesigen Budgets. Offene Türen also für schlanke Agenturmodelle und günstige Kosten!

Dabei gabs gleich etliche Aha-Erlebnisse: ChatGPT 4 bietet nämlich jetzt Plugins zu Dall:e und einem Browser. Kommentar eines Teilnehmers: „Dafür allein hat sich der Besuch schon gelohnt!“ Die Anwendung von OpenAI ist damit schon ziemlich mächtig. Das hat sich auch bei der Value Proposition gezeigt, die ein paar Dutzend Prompts später stand. Für die Namensfindung haben wir trotzdem lieber Namelix herangezogen. Das haben wir dann eine Weile lang gequält, weil erstmal natürlich kein Vorschlag dabei war, der uns überzeugt hat. Allerdings – Überraschung – hat Namelix zu den Namensvorschlägen gleich (wenn auch nicht so tolle) Logovorschläge mitgeliefert. Dann pragmatisch einen Vorschlag auswählen, Namensrechte prüfen, Domain reservieren (haben wir echt gemacht!). Fertig. 

Auf dem Weg zur Website

Der Agenturname braucht ein Logo: Dafür war eigentlich das Tool Smashing Logo vorgesehen, Dall-e hat uns aber mehr überzeugt. Parallel dazu hatte ein 3köpfiges Team aus unserer Gruppe schon Produktpakete entwickelt und sich von ChatGPT Preisvorschläge machen lassen. Mit sehr lustigen Garantieversprechen, die im echten Leben nicht lange Bestand gehabt hätten. Danach gabs erstmal einen Flying Lunch, Zeit war kostbar. Wir mussten ja noch die Employer Branding Strategie für die neue Agentur entwickeln (mit Canva-Visualisierungen). Und Kleinigkeiten wie die Website standen für den Nachmittag auch noch an.

Die Website haben wir auch hingekriegt … mit einem Template aus Framer. Nie gehört? Gut so, denn das Tool hat uns nicht wirklich begeistert. Die Farbpaletten sind zwar vielfältig, haben aber trotz diverser Anläufe nicht gefallen, die UX auch nicht. Und die Anwendung fanden wir nur teilweise intuitiv. Immerhin, sie vermarktet sich als „Start with AI“ und hat es damit auf die Liste der Anwendungen geschafft, die wir nutzen durften. Remember: Nur KI-Tools durften zum Einsatz kommen.

Besser lief es mit den Tools zur Bildgenerierung. Wir sollten dafür Alternativen zu Midjourney ausprobieren. Also „Text-to-Bild“, wie Prof. Bünte das in ihrem soeben erschienenen, sehr empfehlenswerten Buch „So geht Digital Marketing“ nennt. Sprich: Bilder entstehen aus dem Nichts – und mit den meisten konnten wir auch genauso viel anfangen. Nämlich nichts. Natürlich haben wir dennoch eine Bildwelt herbeigezaubert. Auch wenn uns eines der entstehenden Handwerker-Modells erst zu „hübsch glatt“ war. Der Prompt „mach den Typen weniger Model-mäßig und nicht so schlank“ führte dann zu einem smarten Handwerks-Bodybuilder mit geöffnetem Hemd. OMG. 

Und kleiner Tipp: Die Bilder-Tools nehmen Texte wie visuelle Elemente dar. Wenn das Bild also die Headline „Meisterhaft“ enthalten soll, kann da auch „Meisenraft" oder „Meestersaft“ stehen. Auch wenn Sie den Text richtig eingeben. Da muss dann im Zweifel hinterher doch noch Photoshop helfen (das ja auch KI einsetzt).

Text-to-Video – ein Reinfall

Ein Highlight (Sarkasmus, trief …) war am nächsten Morgen dann das Tool Runway. Das haben wir flugs in „run away“ umgetauft … 
Aber eins nach dem anderen: Nachdem am Vortag alles doch recht schlank gelaufen war, haben wir uns am Samstag morgen frisch ans Werk gemacht. Sprich an meinen Laptop. Wir fütterten das Video-Tool mit der Value Proposition der Agentur und warteten gespannt auf das Ergebnis in Form einer ersten 4-Sekunden-Sequenz. Die sich sehen lassen konnte, zumindest wenn Sie auf Menschen mit weniger als fünf schlangenartigen Fingern stehen. Der Prompt „Zeig die Szene, ohne Hände ins Bild zu nehmen“ führte dann zu Menschen ohne Hände … nicht etwa zu Szenen, in denen Hände halt keine Rolle spielen. 

Irgendwann ging uns die Zeit aus, und wir mussten das Video verlängern. Statt an die Szene etwas Ähnliches dranzustricken, verlangsamte Runway einfach die Bewegungen. Bis hin zur Super-Slomo. Run, run, run away ;-)

Fazit: was mit KI geht und was nicht

Die drei Gruppen haben am Samstag spätnachmittags drei Agenturen präsentiert. Total unterschiedliche Ergebnisse, aber es ging ja auch eher darum, was mit den KI-Tools geht und was nicht. Unser Fazit war: Für Text, Namensfindung, Planung und Bild waren die Tools hilfreich, für Bewegtbild so lala, und Websites machen wir für unser Teil doch lieber weiterhin mit Typo3. Jedenfalls werden wir ausgewählte Tools weiterhin / verstärkt nutzen. Wobei wir das ganze Thema „Datenschutz“ und „Rechte“ mit Argusaugen im Blick behalten.